Dies und das aus dem Fuhrmannswesen |
Ein Fuhrmann oder Kärrner war eine Person, die die Fuhre ausführte oder Waren mit einem Hand-, Pferde-, Ochsenkarren oder einer Schubkarre transportierte. Als heutige Berufsbezeichnung trifft am besten Kraftfahrer, Spediteur oder Fernfahrer zu. Seine Bedeutung verlor der Fuhrmann und das gesamte Fuhrmannswesen in Hermsdorf mit der Eröffnung der Eisenbahnlinie 1876 Gera – Weimar. Die Eisenbahn konnten alle Erzeugnisse schneller, billiger, sicherer und in viel größeren Mengen befördern. |
Für den Nahverkehr, von Dorf zur nächsten Ortschaft, benutzten Bote und Botenfrau den Richtweg. Auf schmalem Steig trugen sie bergauf, bergab ihre Last im Tragkorb oder schoben einen leichten Schiebekarren. |
Den Marktweg z. B. von Hermsdorf nach Eisenberg - ursprünglich durch Weißenborn über die Glashütte und die Walkmühle - ging mancher Bote bei erforderlicher Marktlage an einem Tage auch zweimal nach Eisenberg und zurück. Der Mühlsteig war der Richtweg zur Mühle. Den ausgesprochenen Handelsverkehr besorgten die Kärrner und die Fuhrleute. Auf dem Kärrnerweg kam mit hoch bepacktem Schiebekarren oder stabilem Handwagen der Kleinhändler, der die im Familienkreis hergestellten Erzeugnisse und zuletzt auch das Fahrzeug verkaufte. Als Zicher (Zieher, mit einem Seil vorgespannt) half die Frau oder der älteste Sohn. Nach Abschluss des Geschäftes kam der Händler mit dem Gehstock in der Hand von der Fahrt zurück. Da der „Zicher“ daheim der Arbeit entzogen wurde, trat bei lohnenderem Geschäft an seine Stelle zuerst der Ziehhund und dann bei weiterem wirtschaftlichem Aufstieg das Pferd. Kärrner mit zweirädrigem Karren waren die Vorstufe der Fuhrleute mit vierrädrigem Wagen. In die Giebelwand der 1876 erbauten Scheue der Mühle zu Grüna bei Rüdersdorf Landkreis Gera ist über den Scheunentoren außer einem Schlussstein mit der Jahreszahl 1727 und den Buchstaben STR auch ein teilweise beschädigtes Relief |
Fuhrleute mit vierrädrigem Wagen und zwei Pferden besorgten den Nahverkehr, aus dem Holzlande z. B. bis Naumburg, AItenburg, Neustadt an der Orla, Kahla, Jena. Großfuhrleute hatten meistens vier Pferde und hielten einen Groß- und einen Kleinknecht. Sie schafften auf hoch beladenen Wagen die einheimischen Waren in die Großstädte Norddeutschlands. Es gab nur wenige Fuhrleute, die Frachten nach Süddeutschland fuhren. |
Fuhrmannswesen - Vierrädriger Wagen mit drei vorgespannten Pferden. |
Seefuhrleute nannten sich jene, die bis zur Hafenstadt fuhren, nach Homburg, Lübeck, Stralsund und Stettin. Auch ins Ausland sind sie gefahren. Davon zeugen noch heute die folgenden Spitznamen einiger Hermsdorfer Familien z .B. Österreicher, Livländischer. Unter Deichselbrot wurde auch das Vesperbrot schlechthin verstanden, der erste Imbiss im Gasthaus nach der Tagestour vor der ausgiebigen warmen Abendmahlzeit. Der Frachtwagen war bedeutend stärker und größer als ein Wirtschaftswagen. Er war an den besonders beanspruchten Teilen mit Eisen beschlagen und mit schweren Ketten für die Vorspannpferde behängt. Die Räder standen in breiten Spurweiten, um mit dem Tagen jedes Land durchfahren zu können. Preußen z. B. ließ Wagen mit geringen Spurweiten nicht passieren. Die eisernen Radreifen waren auffallend dick; sie mussten bei den ungewalzten Straßen mehrjährige Ausdauer besitzen. Von Leiter zu Leiter waren hohe Reifen gebogen, über die bei Regenwetter die Plane gezogen wurde. Am Vordergiebel hing die Schoßkelle mit dem angeketteten eisernen Geldkasten und dem Sitz für den Fuhrmann. Eine eiserne Geldkassette mit Ketten und einem großen Schloss daran wurde anlässlich der 700-Jahr-Feier 1956 in Hermsdorf in der Heimatausstellung gezeigt. Besitzer dieser Geldkassette war Richard Kraft, Gastwirt im „Berghof“ in der Bergstraße (im Loch). Unter dem Wagen lagen im Gerätekasten, Winde, Rodehacke, Axt‚ Hammer, Zange, Nägel und anderes Werkzeug mehr, unter der Hinterachse hingen Hemmschuhe und Trinkeimer, an der linken Leiter vorn die mit runden Glasscheiben versehene und mit Draht umflochtene Sturmlaterne. Zwei Pferde hatten am leeren Wagen zu ziehen, so schwer waren dieselben gebaut. Ein neuer Wagen blieb immer mehrere Tage vor der Schmiede, wenn er beschlagen wurde, zur Schau stehen. Die Fuhrleute waren stolz auf ihren Wagen. |
Jeder Frachtwagen hatte seinen weißen, wachsamen Spitzhund, der in der Schoßkelle sass oder bellend auf dem Rücken der Pferde hin und her sprang. Großen Wert legte der Fuhrmann auf eine schöne Peitsche. Zwischen Mann und Pferd bestand ein vertrauliches Verhältnis, und ein leiser oder lauter Zuruf genügte. Die Peitsche ersetzte mehr das Posthorn. Das Meisterstück bestand im Klatschen und darin suchten sich die Fuhrknechte gegenseitig zu überbieten. Die Landsmannschaft des Fuhrmanns also sein Heimatgebiet wies der Wagen aus, der Fuhrmann selbst wurde am Peitschenknall erkannt. Fuhrleute veranstalteten Peitschenkonzerte. Sie stellten sich im Kreise auf und führten ein rhythmisch melodiöses Peitschenknallen durch. Das linke Deichselpferd, meist ein kräftiger Hengst trug einen mit Messingblechen verzierten Sattel. Es war das Sattelpferd. Rechts daneben zog das Handpferd. Das Ortscheit für die Vorspannpferd hing vorn an der Deichsel. Sechspännige Wagen waren keine Seltenheit. Bei frisch geschotterten Straßen brauchte man sogar acht Pferde. Sie richtig zu lenken war eine Kunst. Es war verboten, in einem gefahrenen Gleise weite zu spuren, bevor nicht der ganze Steinschlag kleingefahren war. |
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Fritz Görner - Fuhrmann vor dem Rathaus Hermsdorf Weitere siehe über Suche. |